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1816 - "das Jahr ohne Sommer"

"Achtzehnhundertunderfroren"

 

Nachdem dem Pfannenstielhof im letzten Jahr die Auszeichnung Erbhof verliehen wurde, da er seit 200 Jahren innerhalb derselben Familie übertragen wurde (mehr dazu), begaben wir uns auf Spurensuche. Dazu blätterten wir wieder einmal im Hauptwerk des Historikers, Lehrers und Priesters P. Archangelus Simeoner (1853-1930), "Die Stadt Bozen" und waren entsetzt über das Leid und Elend, das die Hungersnot der Jahre 1816 und 1817 über die Menschen in jenen Jahren brachte.

Auch wenn keine Details zum Verkauf des Pfannenstielhofs im Jahr 1816 bekannt sind, so könnte vielleicht auch diese Hungersnot ausschlaggebend für den Hofverkauf gewesen sein.

 

Gerne lassen wir sie an der narrativen, volkspädagogischen Sicht der Historiografie teilhaben und versuchen anschließend die Wetterphänomene aus heutiger Sicht zu erklären.

 

 

 

Text-Auszüge aus dem Buch: Die Stadt Bozen von Professor A. Simeoner, Bozen, Druck und Verlag der Wohlgemuth’schen Buchdruckerei, 1890

 „… Denn das Jahr 1816, lieber Leser, war ein sehr großes Unglücksjahr, es war ein Hungerjahr.

Gleichzeitige Historiker haben nicht Worte genug, um das Elend, um die Noth und die Armuth zu schildern, die in diesem Jahre besonders in Bozen herrschten. Die Hauptursache dieses Hungerjahres war die entsetzlich schlechte Witterung, weßhalb nichts wachsen konnte. Es war gewiß ein sehr betrübendes Zeichen, wenn noch am 9. März der Eisack mit „Treibeis“ beladen an der Stadt vorbeirumpelte und am 6. April zum alten Schnee, der noch nie geschmolzen war, sich neuer und frischer in solcher Menge zugesellte, daß er noch Ende April die ganze Gegend wie mit einem Leintuche bedeckt hielt. ...

  < Am 5. August >, berichtet P. Dismas Tuzer, < sah ich selbst in der Umgebung von Bozen die Trauben erst blühen; … Die Ernte der Früchte – selbst der Erdapfel – war eine so geringe, daß die Armen nichts besaßen, was sie hätten essen können. >

Deshalb entstand eine solche Hungersnoth, daß selbst die Muthigsten verzagt wurden und sich nicht zu helfen wußten. Dazu kam noch, daß das, was an Feldfrüchten übrig war, der im Oktober gefallene Reif vollständig verbrannte und die im November – man bedenke hier in Bozen – bis auf 19 Grad gestiegene Kälte ganz versengte. Ja ein derartiger Mangel herrschte und eine solche Noth trat ein, daß man Heu, wo noch eines vorhanden war, sott und aß. …

...Das waren traurige Zeiten. In diesem Elende und in dieser Noth verlebte man das Jahr 1816 in der Hoffnung es werde das Jahr 1817 besser werden und durch gesegnetes Wachsthum die Nothlage beseitigen. Allein diese selige Hoffnung schien vollständig getäuscht zu werden, weil die beiden Monate März und April so kalt und frostig waren, daß sich nirgends das Grün der Felder oder die Blüthe der Bäume zeigte. Die Furcht ob der so stark grassierenden und noch immer in Aussicht stehenden Hungersnoth stieg daher von Tag zu Tag und wurde auch dadurch noch vermehrt, weil die Preise der Lebensmittel immer höher stiegen. …

… Der Jammer und das Elend erreichten endlich den höchsten Stand, als im Monate August eine plötzliche Überschwemmung jene wenigen Früchte noch zu Grunde zu richten drohte, … Obwohl es nämlich nur einen einzigen Tag – den 27. August – tüchtig regnete, stieg doch der Eisack plötzlich aus seinem Bette, überschwemmte nach allen Seiten hin  den ganzen Bozner Boden …

 

Der Grund dieser so plötzlichen Überschwemmung war aber leicht erklärlich. Auf den hohen Bergen lag nämlich noch vom Jahre 1816 her sehr viel Schnee, der wegen der großen Kälte desselben Jahres noch nie geschmolzen war und durch den neuen des Jahres 1817 noch vermehrt und erhöht wurde. Im August wehte dann auf diesen Eisfeldern lange Zeit der warme Wind, welcher, von einem milden Regen unterstützt, die Eiskruste brach, den Schnee in Wasser verwandelte und so die Überschwemmung verursachte. Doch trotz der mißlichen Temperatur im Frühjahre und trotz der Überschwemmung im Sommer konnten die armen Vorfahren – „wieder aller Erwartung“ – im Herbste, soviel wenigstens einheimsen, daß sie für die Noth genug hatten, und den Hungertod nicht fürchten mußten. Wie nun die Bozner um Anwendung der großen Hungersnoth viele und eifrige Gebete zum Himmel empor sandten und öffentliche Prozessionen hielten, ebenso herzlich dankten sie am Ende des Jahres 1817 für die Feldfrüchte, die ihnen der liebe Gott geschenkt hatte und hielten zu diesem Zwecke ein eigenes Dankesfest ab, an dem, sich Hohe und Niedere in großer Anzahl betheiligten. ...

 

Die Bozner wurden im Jahre 1818, welches stets von einer guten Witterung begleitet und von Elementarschäden ganz frei war, mit einer reichlichen Ernte erfreut. ..."

Die Ursache

 

 

 

 

Was die meisten Bozner damals wohl nicht wussten, war, dass die anhaltende Kälte nicht auf unsere Region beschränkt war, sondern das Klima weltweit verrückt spielte. Die Hungersnot in Bozen war nämlich einem Ereignis geschuldet, welches das Wetter auf dem gesamten Globus beeinflusste: Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815. Es war der größte Vulkanausbruch seit mindestens 2000 Jahren. Das Ausmaß der Explosion war enorm: Der vormals 4000m Meter hohe Gipfel schrumpfte auf rund 2800 Meter und es entstand ein riesiger Krater mit einem Durchmesser von 6km. Neben enormen Asche- und Staubmengen wurden vor allem auch große Mengen an Schwefel in die Atmosphäre geschleudert.

 

Genau dieser Schwefel war verantwortlich für die klimatischen Veränderungen: Er legte sich wie ein Schleier um die Erde und dämpfte die Sonneneinstrahlung markant. Die tragende Rolle hierbei spielt Schwefeldioxid. Schwefeldioxid wird mit der Zeit zu Schwefelsäure, diese wiederum zieht Wasser an und es bilden sich kleinste Tröpfchen. Diese sogenannten Sulfataerosole reflektieren das Sonnenlicht, sodass weniger Sonneneinstrahlung auf der Erde ankommt und diese somit abkühlt.


Für das Klima entscheidend ist nun, in welche Schicht die Sulfataerosole gelangen. Bis in etwa 18 Kilometer Höhe werden sie vom Regen rasch ausgewaschen und haben keine Auswirkungen aufs Klima. Befinden sich die Aerosole aber in der darüber liegenden Stratosphäre, können sie über Jahre hinweg existieren. Zugleich werden sie, vor allem wenn der Vulkan in Äquatornähe ausbricht, über den ganzen Globus verteilt.

Geholfen hätte dieses Wissen den Bozner Bauern allerdings auch nicht. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihr Überleben zu sichern. Gut möglich, dass dieses Unglücksjahr auch den ursprünglichen Besitzer des Pfannenstielhofs gezwungen hat, seinen Hof zu verkaufen. Auch heute noch ist das Wetter einer der wichtigsten Faktoren für die Qualität der Ernte und das Gelingen des Weins. Trotz dass wir gelernt haben, mit dem einen oder anderen Wetterereignis besser umzugehen und die negativen Folgen ein wenig einzudämmen, bleibt es eine Unbekannte in unserer Arbeit und stellt uns jedes Jahr vor eine neue Herausforderung. Solange es allerdings nicht so dramatisch zugeht wie im Jahr 1816, machen gerade diese Unbekannten unsere Arbeit spannend und vielfältig und gestalten jedes Jahr – und jeden Jahrgang- ein klein wenig anders.

 

Informationen: www.wetteronline.de/wetternews; wetter.tv/news/1816-das-jahr-ohne-sommer; www.winterplanet.de/Sommer1816;

Fotos: www.wetteronline.de/wetternews

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